Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste der „Twooten“,
ich freue mich sehr, Ihnen heute zu diesem schönen Anlass einige Sätze zur Geschichte der Rathauskeller mitteilen zu dürfen.
Ich kann Sie auch gleich zu Beginn beruhigen – Sie werden keinen ausufernden Vortrag über architektonische Details und stilistische Besonderheiten zu hören bekommen, denn die archivalische Quellenlage über die Kellergewölbe des alten Mindener Rathauses ist dürftig und in Einzeldokumenten verstreut, die zu großen Teilen bis heute kaum aufgearbeitet worden sind.
Und auch dort, wo bereits an den Dokumenten gearbeitet wurde, fiel der Blick doch eher selten auf Informationen die einen Keller betreffen. Woran liegt das? Woran denken Menschen, wenn sie an einen Keller denken?! Nun, für Kinder ist die Lage klar: ein Keller ist dunkel und unheimlich und im schlimmsten Fall wohnen dort sogar Monster. Und selten denken wir Erwachsenen wesentlich anders über unsere Keller: sie sind dunkel, oft kalt und in den meisten Fällen benutzen wir sie als Abstellraum für all die Dinge, die wir nicht wirklich brauchen. Kurz und Gut: Keller gehören zu den eher übersehenen Räumen eines Gebäudes und geraten nur selten ins Blickfeld der Öffentlichkeit – zumindest, wenn dort nicht gerade Schätze geborgen werden.
Schätze wurden auch in den Tonnengewölben der Rathauskeller bislang nicht gefunden – zumindest wurde noch keiner abgegeben, auch wenn der Stadtsäckel sich hierüber sicherlich gefreut hätte. Dennoch stellt dieser Keller einen kleinen Schatz dar, denn er gehört mit zu der ältesten Bausubstanz, die die Stadt Minden heute noch aufweisen kann.
Dass der frühgotische Kernbau des Mindener Rathauses, der um die Mitte des 13.Jh. entstanden ist, unterkellert wurde, stellte eine Herausforderung dar. Der Untergrund, auf dem das Rathaus erbaut worden war, war unsicher und morastig. Und durch den im Osten des Rathauses entlang der Domimmunität verlaufenden Stadtbach – die Stadtbeke – behielt das Gelände diese Beschaffenheit. Die zahlreichen Sanierungsarbeiten, mit denen die Setzungsschäden am Rathaus über die Jahrhunderte aufgefangen werden mussten, sprechen hier eine deutliche Sprache.
Die Kunst des Gewölbebaus wurde bereits von den Römern perfektioniert. Rundbogige Tonnengewölbe wie dieses waren schon in der Antike weit verbreitet. Mit dem Niedergang Roms verschwand jedoch auch das Wissen um diese Bautechniken weitgehend. Erst um die Jahrtausendwende begann man wieder damit, Räume einzuwölben. Die beeindruckende Wirkung der neu entdeckten Gewölbetechnik sorgte für eine schnelle Verbreitung – und der Lernprozess für zahlreiche Einstürze…
Augenscheinlich haben aber zumindest die Baumeister des Mindener Rathauses ihr Handwerk verstanden – über eine Beschädigung oder einen Einsturz der Gewölbekeller wurde niemals berichtet.
Errichtet wurde das Tonnengewölbe unter dem Rathaus anfangs vermutlich als Lagerkeller. Eine erste mögliche Nutzung des Kellergewölbes ist für den Einzelhandel mit Wein wahrscheinlich. Schon seit 1377 durfte der Wein in der Stadt nur durch den städtischen Kellermeister verzapft werden. Sogar der Bischof, der selbst einen regen Weingroßhandel betrieb, musste seinen persönlichen Bedarf beim städtischen Kellermeister beziehen. Rheinwein durfte auch im 17.Jh. noch ausschließlich im Ratskeller ausgeschenkt werden. Die weniger edlen Tropfen konnte man jedoch in den Apotheken erwerben.
Somit scheint der Rathauskeller von Beginn an auch als eine Art Gastwirtschaft betrieben worden zu sein und es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch die Versorgung der Ratsherren während der Sitzungen und bei Festlichkeiten schon immer durch eine Ratskellerwirtschaft übernommen wurde. Als Entlohnung für ihre Arbeit standen den Ratsherren damals nämlich lediglich ein gewisses Kontingent aus den städtischen Weinkellern und die Versorgung während der Sitzungen und bei festlichen Anlässen zu.
Der städtische Weingroßhandel hingegen lief zuerst wohl ausschließlich über das Lager im Kaufhaus am Markt 6 ab. Schon um 1460 berichtet der Domherr Tribbe von zwei Weinherren unter den Ratsmitgliedern, deren Aufgabe es war, diesen Handel zu überwachen und die Aufsicht über die Ratskellerwirtschaft zu führen. Erst 1555 gelang es der Stadt dann, das Privileg auf den Weingroßhandel zu erhalten. Seitdem wurden die Keller des Rathauses als Lagerplatz und Handelsräume genutzt.
Ab 1666 wurden dann unter dem Laubengang des Rathauses die hölzernen Fleischscharren errichtet. Von diesem Zeitpunkt an durfte Fleisch nur noch dort gehandelt werden. Seit 1716 sind auch die Höker – die Kleinhändler – unter dem Laubengang nachgewiesen. 16 solcher Buden standen z.B. im Jahr 1719 unter dem Laubengang und auch die Kellerwirte mieteten sich zeitweilig den einen oder anderen Verkaufsstand an.
Für viele Jahre führte der Zugang zum Rathaus und seinen Kellern nur durch die schmalen Gassen, die die Händler zwischen ihren Ständen belassen hatten – oder auch manchmal mitten durch die Verkaufsbuden hindurch. Die Kellerräume werden in dieser Zeit eine wertvolle Lagerfläche dargestellt haben, die der Stadt Minden zusätzliche Pacht- und Mieteinkünfte einbrachten.
Im Verlauf des 18.Jh. strukturierte die preußische Regierung die Verwaltung vollkommen neu und der Platzbedarf verringerte sich, so dass weitere Bereiche des Rathauses dem Gastwirt des Ratskellers überlassen wurden.
Die Bauaufnahme des Stadtbaurates Rumpf aus dem Jahr 1885 zeigt im Keller des Kernbaus einen langen Raum, der vom Westgiebel bis an den Bereich der heutigen Kellertreppe reicht.
Er erhielt seinen Zugang ursprünglich wohl im Bereich des ersten Laubenbogens. Zum Ostgiebel hin befinden sich nochmals zwei kleine zusammenhängende Räume, die einen gesonderten Zugang hatten. Reste des Eingangsbogens zu diesen Räumen sind übrigens heute noch im Mauerwerk zu erkennen.
Diese kleineren Räume dienten vermutlich als Ratsgefängnis, welches aus nicht bekannten Gründen „Posaune“ genannt wurde. Aus der Mitte des 15.Jh. berichtet der Stadtchronist Tribbe, dass die Verurteilten im Gefängniskeller des Rathauses verwahrt wurden, während sie in Anwesenheit des Wichgrafen durch einen Ratsdiener für friedlos erklärt wurden. Danach wurden sie vor dem Kaufhaus am Markt 6 dem Stadtrichter und dem Wichgrafen zum Blutgericht vorgeführt. Wichtige Personen der Mindener Geschichte wie der Reformator Heinrich Traphagen oder der Prediger Nikolaus Krage saßen in diesen Gefängnisräumen ein. Und eine Quelle aus dem Jahr 1713 berichtet sogar von dem „Hexenloch“ unter dem Laubengang.Erst im 18.Jh. wurde das Gefängnis aus dem Rathauskeller in die angebaute Schulzenburg verlegt. Die Kellerräume dienten danach lange Jahre als Abstellkammern.
Im 18. und 19.Jh. wird die Kellerwirtschaft von der Stadt regelmäßig auf sechs Jahre verpachtet und für das 19.Jh. sind außerdem verstärkt Pachtverträge mit Mindener Kaufleuten über diverse Kellerräume erhalten. Welche Räume des Rathauses jedoch letztendlich als Schankräume und welche lediglich als Lager genutzt wurden, bleibt dabei unklar.
1896/97 wurde das Mindener Rathaus umfassend umgebaut und auch im Inneren neu strukturiert. Dabei wurden vermutlich bereits große Teil der ursprünglichen Bausubstanz beseitigt. Zu diesem Zeitpunkt hat man auch die Trennwände der Gefängnisräume abgerissen und dort die Kesselanlage der neuen Zentralheizung eingebaut.
Am 28. März 1945 zerstörten Luftangriffe den Mindener Dom und Teile der Innenstadt – darunter auch das Rathaus. Da das Rathaus das Stadtarchiv beinhaltete, erhielten die Bergungsarbeiten Vorrang und durch das Ausbleiben der Löscharbeiten brannte der Bau bis zum folgenden Tag fast vollständig aus. Lange Zeit blieb das Schicksal der Rathausruine unklar, bis 1951 entschieden wurde, das Rathaus nach den Plänen von Werner March im alten Stil wieder aufzubauen.
In der Wiederaufbauphase passte man die Rathausflucht der neuen Gestaltung des Stadtbildes an und große Teile der alten Bausubstanz wurden beseitigt. Dabei fiel der westliche Teil des Tonnengewölbes in dem wir heute Abend stehen dem schmalen Laubengang zum Opfer, der auf den neu errichteten Scharnflügel mit dem früheren Landesverwaltungsgericht zuführt. Im Gegenzug wurde die ursprüngliche Bauplanung geändert und der östliche Kellerbereich des ehemaligen Ratsgefängnisses mit einer Kappendecke versehen und als Nebenraum der Tonne angegliedert. Da eine Nutzung als Gastwirtschaft bereits seit Beginn der Bauplanung angedacht war, erhielt der Keller außerdem eine eigene Außentreppe. Gemeinsam mit dem größten Teil der Laube stellt also dieses Gewölbe den ältesten erhaltenen Teil des alten Mindener Rathauses dar.
Am 21. Dezember 1953 wurde „Die Tonne“ eröffnet – fast zwei Jahre vor der offiziellen Einweihung des wieder errichteten Rathauses am 24. September 1955. Schnell gewann das urige Gewölbe regen Zuspruch. Und es scheint einige Konstanten gegeben zu haben: So wird berichtet, das es Zeiten gab, in denen sich Ratsherren vor und nach den Sitzungen im Ratskeller trafen, um über das Wohl der Stadt zu beraten…
Rathaus und Bürgerbataillon: beide sind jahrhundertealter Beweis einer starken, selbstbewussten Bürgerschaft, die ihre Aufgaben für das Gemeinwohl ernst nimmt! So entstand das Rathaus als Ausdruck bürgerlicher Autonomie und vom Rathaus aus erging auch der Auftrag an das Bürgerbataillon: der Schutz der bürgerlichen Gemeinschaft und dieser Autonomie.
Bis heute haben einige der alten Verbindungen zwischen Rat und Bürgerbataillon noch Bestand, wenngleich sie auch nicht mehr so augenfällig sind, wie beispielsweise die ursprünglichen Wach- oder Feuerlöschdienste. So folgt der Ablauf des Freischiessens noch immer dem vom Rat der Stadt Minden erlassenen Reglement von 1689. Und auch heute noch werden die Stadtoffiziere nach alter Tradition vorn Bürgermeister in ihr Amt eingeführt, der auch an ihren Sitzungen im Rathaus teilnimmt.
Für die 2. Kompanie des Mindener Bürgerbataillons ist die Quartiernahme im Gewölbekeller des Mindener Rathauses eine Art Einzug im eigenen Zuhause. Ihr Kompaniebereich wird begrenzt von der Weser südlich des Wesertors, der Bäckerstraße über Scharn und Markt, östlich vom Obermarkt und der Simeonstraße und an der Bastau entlang bis zur Stadtgrenze. Im Herzen dieses Viertels liegt das Rathaus. Nicht umsonst trägt die „Twoote“ bei offiziellen Anlässen mit der roten und weißen Nelke die Farben der Stadt Minden als Kompanie-Blumen am Revers und wird bei der Bevölkerung auch die „Rathaus-Kompanie“ genannt. Umso passender ist es, dass sie jetzt ihr Kompanie-Quartier in der Tonne bezieht!
Was mir jetzt noch bleibt, ist, mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit zu bedanken und der „Twooten“ in ihrem neuen Quartier eine gute Zeit zu wünschen: Eine starke Kompanie in starken Mauern!
Danke
© Melanie Ochsenfarth